Einleitung: Univ. Prof. Dr. Michael Schmolke Am 30. Oktober 1938 wurde von der amerikanischen Rundfunkanstalt CBS in der Regie von Orson Welles ein Hörspiel gesendet, das in exemplarischer und extremer Weise die Möglichkeit demonstrierte, mit Hilfe des Radios Realität und Fiktion zu verwischen. So wurde „The War of the Worlds“ (CBS, 60 Minuten), nach dem Science-Fiction-Roman von H. G. Wells, wohl zum berühmtesten Hörspiel aller Zeiten. Zwischen neun Uhr abends New Yorker Zeit und der Früh des nächsten Tages flüchteten Männer, Frauen und Kinder in Dutzenden von Städten im ganzen Land vor etwas, was nur in ihrer Phantasie existierte: der angeblichen Landung von Marsmenschen. Viele Hörer hatten das Reportage-Hörspiel für bare Münze genommen. Orson Welles beschrieb die Situation später so: „Zwanzig Minuten nach Sendebeginn hatten wir lauter verstörte Polizisten im Regieraum. Sie wußten nicht, wen sie – und warum – festnehmen sollten, aber sie gaben dem Rest der Sendung das gewisse Etwas. Uns dämmerte allmählich – während wir uns mit der Zerstörung von New Jersey weiter abplagten –, daß wir die Zahl der Spinner in Amerika unterschätzt hatten.“ Eine Wiederholung des Hörspiels im Jahr 1971 soll in den USA erneut zu panikartigen Reaktionen vor allem der Autoradiohörer geführt haben. H. G. Wells, geboren 1866 in Bromley (Kent), gestorben in London 1946, Mitglied der „Fabian-Society“ zusammen mit George Bernard Shaw. Zu seinen berühmtesten Arbeiten zählen die „Phantastischen Erzählungen“ (darunter „Krieg der Welten“, 1901), „Der Diktator“ (dt. 1931) und „Der Geist am Ende seiner Möglichkeiten“ (dt. 1946), in dem er das nahe bevorstehende Ende der Spezies Mensch verkündete. Orson Welles, geboren 1915 in Kenosha, gestorben 1985 in Los Angeles, gilt als Theater-, Film- und Schauspiel-Genie. Seine einzigartige Karriere begann beim Hörspiel. Mit der populären Krimihörspiel-Reihe „The Shadow“ wurde er bereits in den 30er Jahren zum Star. Drehte viele Filme, in denen er oft Hauptrollen übernahm: „Citizen Kane“ (1941), „Der Prozeß“ (1962) u.a.