Donnerstag,
19.06.97
20:00

Die Briefe, die nie angekommen sind

Eintritt 80,-/ 50,-

Erich Hackl
Mauricio Rosencof

Veranstalter: Literaturhaus

Die Briefe, die nie angekommen sind

Veranstalter: Literaturhaus

„Aber das, was uns am meisten passiert ist, nämlich nichts, jahrelang nichts, wie sollen wir davon erzählen?“ Dreizehn Jahre lang wurde der engagierte uruquayische Journalist und Schriftsteller Mauricio Rosencof unter unvorstellbaren Bedingungen gefangen gehalten. Elfeinhalb Jahre verbrachte er als „Geisel des Staates“ in nahezu absoluter Isolation. Seinen Durst bekämpfte er mit dem eigenen Urin. Nach seiner Freilassung 1985 widmete sich Rosencof verstärkt der literarischen Arbeit. Bis heute hat er über ein Dutzend Theaterstücke und sieben Bücher mit Erzählungen und Gedichten veröffentlicht. Seine Stücke wurden von vielen lateinamerikanischen und europäischen Bühnen inszeniert, seine Werke (z. B. der Roman „Der Bataraz“) in mehrere Sprachen übersetzt. Sein Romanfragment „Die Briefe, die nie angekommen sind“ wird im Herbst 1997 in der deutschen Übersetzung von Erich Hackl im Salzburger Residenz Verlag erscheinen. An diesem Abend stellen beide Autoren den Text vor, im Original und in Übersetzung. In „Die Briefe, die nie angekommen sind“ gelingt es Mauricio Rosencof brillant, die Unvoreingenommenheit kindlicher Eindrücke mit Zeitgeschichte zu verbinden. Obwohl seine Eltern schon vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland aus Polen nach Uruguay kamen und er selbst bereits in Uruguay geboren wurde, war Rosencofs Kindheit vom Einwanderermilieu bestimmt. Eingeprägt hat sich ihm auch der Tod vieler naher Angehöriger in den Vernichtungslagern von Auschwitz und Treblinka, der ihn als ferne Nachricht erreichte: eher vermittelt durch den Blick des Vaters als durch eine reale Botschaft. Die Kindheitserinnerungen, die in spielerischer Form in der kindlichen Sprache seines Viertels in Montevideo wiedergegeben sind, vermischen sich mit den möglichen Briefen seiner polnischen Verwandten, die von einem mörderischen und menschenverachtenden System berichten.