„Der Stuhl ist besetzt“, sagte Groll. Tritt sprang auf. „Von wem?“ „Vom Rollstuhl“, antwortete Groll, „es ist der Platz des Rollstuhls. Ich achte die alten Bräuche und trinke niemals allein. Es wäre schön, wenn Sie das akzeptieren könnten.“ Tritt faßte sich schnell. „Jetzt verstehe ich auch, wieso Sie zwei Glas Bier vor sich haben! Wie kommt es aber, daß nur ein Glas Korn auf dem Tresen steht? Hat der Rollstuhl seinen Schnaps schon getrunken?“ Tritt lachte herzlich über den Witz. Groll wartete, bis Tritt sich beruhigt hatte. „Wir trinken Nordhäuser Doppelkorn, daher genügt ein Glas“. „Sind Sie sicher, daß Sie den Rollstuhl nicht vermenschlichen?“ fragte Tritt und warf begehrliche Bliche auf den Barhocker. Groll entgegnete, daß der Rollstuhl sich dagegen verwahren würde… aus: „Herr Groll erfährt die Welt“ Erwin Riess, geboren 1957, Studium der Politik- und Theaterwissenschaft in Wien, nach Rückenmarktumor Rollstuhlfahrer, 1984 – 1994 Wissenschaftlicher Referent für Behindertengerechtes Bauen im Wirtschaftsministerium, seit 1994 freier Schriftsteller, Aktivist in der Selbstbestimmt leben-Bewegung behinderter Menschen. 4 Bücher, zuletzt erschienen: „Herr Groll erfährt die Welt“, Erzählungen (Elefanten Press, Berlin 1997). Theaterstücke, u. a. „Krüppelgespräche“, zuletzt: „Der Wunderheiler oder die Austreibung der Vernunft heilt alle Wunden“. Zwei Filmdrehbücher: „Treibjagd“ (Kinofilm) und „Rolls Rolls oder die Wiederkehr der vier Musketiere“ (Treatment für eine TV-Serie).