‚Bei uns‘, sagt Else Pappenheim und meint damit nicht ihre Familie und auch nicht New York, wo sie seit 1941 lebt. ‚Bei uns‘ bedeutet: in Wien, ‚daran sehen Sie, daß ich gerne zurückgegangen wäre.‘

Die Prägung durch das Wien der Zwischenkriegszeit und die Wiener psychoanalytische Schule ist immer wieder Bezugspunkt in den Schriften Else Pappenheims, die in dem von Bernhard Handlbauer herausgegebenen Band ‚Else Pappenheim: Hölderlin, Feuchtersleben, Freud‘ zum Teil erstmals veröffentlicht werden.

1911 in Salzburg geboren, wächst Else Pappenheim in Wien auf, wo sie nach Besuch der ‚Schwarzwaldschule‘ Medizin studiert und ab 1935 als Sekundarärztin an der Wiener neurologisch-psychiatrischen Klinik arbeitet. 1938 emigriert sie nach Baltimore, 1941 nach New York. Mit ihrer Arbeit als Neurologin und Analytikerin und ihrer Unterrichtstätigkeit an verschiedenen Universitäten und Kliniken trägt sie wesentlich bei zur Wirkungsgeschichte österreichischer EmigrantInnen in den USA.

Der Band versammelt Erinnerungen und Schriften Pappenheims, Interviews und klinische Studien, u.a. eine detailreiche Pathographie Hölderlins. Daneben zeichnet die umfangreiche biographische Einleitung von Bernhard Handlbauer ein komplexes Bild ihrer Persönlichkeit. Im wechselweisen Blick auf lebensgeschichtlich prägende Momente und historische Konstellation, auf die Erfahrung des Exils, auf persönliche und intellektuelle Begegnungen vermitteln sich vielschichtige Einblicke in die österreichische Zeit- und Medizingeschichte des vergangenen Jahrhunderts. Als Dokument gelebter Erfahrung und Erinnerung lesbar, gestaltet das Buch nicht zuletzt auch ein exemplarisches Bild weiblicher Wissenschaftsgeschichte.

Bernhard Handlbauer, geboren 1956, studierte Psychologie, Psychopathologie und Psychiatrie in Salzburg und arbeitet als Psychotherapeut in freier Praxis sowie in einem Jugendgefängnis. Zahlreiche Publikationen zur Geschichte von Psychoanalyse und Individualpsychologie. Veranstalter: prolit