Einleitung und Lesung auf Deutsch: Donata Kinzelbach Rachid Boudjedra gilt als einer der bedeutendsten Autoren des Maghreb. In seinem Roman „Fluchten“ thematisiert er einmal mehr Kindheitstraumata, den Krieg in Algerien und die Widersprüche der nachkolonialen algerischen Gesellschaft. Er erzählt mehrstimmig und vermischt dabei Reales und Symbolisches, eine „Wirklichkeit“ gibt es nur über den Weg des Mythos. Durch dieses schriftstellerische Verfahren schließt Boudjedra an an Ibn Khaldoun, reiht sich aber gleichzeitig ein in die Linie, die James Joyce oder William Faulkner gezogen haben. Zwischen zwei Gefängnisaufenthalten und Reisen auf der Suche nach viel versprechenden Zuchtstuten sammelt der unfruchtbare Pferdezüchter Ila auch gleich Kinder: Ali und Ali zwei, die ihn, als sie fast erwachsen sind, bestehlen und fliehen. Das Mädchen Lol, das eigentlich Jockey werden möchte, und Lam, der die Nacht vor seinem Aufbruch in den Untergrund mit seiner „Schwester“ verbringt. Auf der Flucht vor der Erinnerung an diese Nacht, für Lam eindeutig Inzest, führen ihn seine Irrfahrten nach Constantine, Tunis, Algier, Moskau, Peking, Hanoi, Barcelona und Paris. Letztendlich erweist sich die „Flucht“, wie oft bei Boudjedra, als Suche nach sich selbst, als Suche nach einem eigenen Namen, nach einer eigenen Identität. Rachid Boudjedra, geboren 1941 in Aïn Beïda (Ostalgerien). Besuchte von 1952 bis 1959 besuchte das Collège Sadiki in Tunis, um unter anderem die arabische Sprache zu lernen, die in seiner Heimat verboten war. 1960 wurde er im algerischen Befreiungskrieg, an dem er aktiv teilnahm, verwundet. Studium der Mathematik und der Philosophie in Algier, danach in Paris. Er lehrte an verschiedenen Universitäten Europas, Nordafrikas, Nordamerikas und des Nahen Ostens. Heute lebt er als freier Schriftsteller in Algier. Büchertisch: Rupertus Buchhandlung