Moderation: Katja Gasser „Als wir nun endlich mit unserem amerikanischen Wagen einfahren, einem tiefbraunen Chevrolet, schokoladefarben, könnte man sagen, brennt die Sonne unbarmherzig auf die Kleinstadt, hat die Sonne die Schatten der Häuser und Bäume beinahe restlos aufgefressen, zur Mittagszeit also fahren wir ein, recken unsere Hälse, um zu sehen, ob alles noch da ist, ob alles noch so ist wie im letzten Sommer und all die Jahre zuvor.“ Im silbergrauen Mercedes oder im schokoladefarbenen Chevrolet von der Schweiz bis in die Vojvodina – das ist der Weg, den die Familie Kocsis seit ihrer Emigration immer wieder zurücklegt, um Sommerferien, Hochzeiten, Begräbnisse und sonstige Familienereignisse in ihrem früheren Heimatdorf zu erleben. „Tauben fliegen auf“, der mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnete Roman von Melinda Nadj Abonj, ist ein mitreißendes, sinnliches und lebendiges Porträt einer Migrantenfamilie. Erzählt wird von den Schwestern Ildiko und Nomi, ihrem Herauswachsen aus der Kindheit im Heimatdorf in Serbien und dem Hineinwachsen in die neue Sprache und die fremden Realitäten der Schweiz, in die Herausforderung, einen Platz zu finden zwischen Erinnerung und Neubeginn. Erzählt wird von den liebenswerten Eigenheiten der Familienmitglieder und vom schwierigen Unterfangen, in der Schweiz ein Zuhause zu schaffen, und erzählt wird nicht zuletzt von der wechselvollen Geschichte des ehemaligen Jugoslawien und seiner Bevölkerungsgruppen. „So gibt das Buch das vertiefte Bild eines gegenwärtigen Europa im Aufbruch, das mit seiner Vergangenheit noch lang nicht abgeschlossen hat.”, heißt es in der Jurybegründung.

Melinda Nadj Abonj, geboren 1968 in Becsej (Serbien), lebt als Schriftstellerin und Musikerin in der Schweiz. 2004 erschien ihr mehrfach ausgezeichnetes Debüt „Im Schaufenster im Frühling“. Für „Tauben fliegen auf“, erschienen im Verlag Jung und Jung, erhielt sie den Deutschen und Schweizer Buchpreis 2010.