Themen
Europa der
Muttersprachen
Seit 1995 wird – erfunden von Literaturhaus-Leiter Tomas Friedmann – jedes Jahr das mehrtägige Festival „Europa der Muttersprachen“ organisiert: Literatur (und oftmals Film, Kunst und Musik) aus einem europäischen Land, einer europäischen Sprache – und inzwischen thematisch länder- und sprachenübergreifend.
Seit 2018 widmet sich der mehrtägige Schwerpunkt nicht der Literatur eines bestimmten Landes, einer bestimmten Sprache, sondern in mehreren Sprachen einem gesamteuropäischen Thema wie Grenzen, Identität etc.
Denn: Die europäische Literatur reflektiert mehr denn je Wirklichkeiten politischer Ratlosigkeit, Auswüchse ökonomischer Interessen und Erschütterungen des Ich. Und: Texte entwerfen sprachgewaltig und poetisch, mit Phantasie und Humor oftmals Gegenwelten. Autorinnen und Autoren bauen Brücken zwischen Vergangenem und Zukünftigem, zwischen Ost und West, zwischen Erlebtem und Erfundenem … Quo vadis, Europa?
Beim Literaturhaus-Festival wird Europa quasi literarisch vermessen. Die Beschäftigung mit europäischer Geschichte und mit europäischen Geschichten in verschiedenen Sprachen wird also transnational fortgesetzt, denn für den Erfinder der Reihe besteht Europa nicht aus Vaterländern sondern aus Muttersprachen:
„Wer auf seiner Sprache beharrt, und sei es eine, die nur eine kleine Anzahl von Menschen als Muttersprache betrachtet, der sucht sich also keineswegs an das Abgelebte zu klammern, dessen Verschwinden notwendig ist und daher auch nicht zu betrauern wäre. Er stemmt sich dem Neuen, das kommen muß, nicht aus dumpfem Ressentiment entgegen, sondern sucht es, indem er das Menschenrecht der eigenen Sprache nicht preisgibt, zu humanisieren.“ (Karl-Markus Gauß, „Das Europäische Alphabet“, Zsolnay 1997)
PS. 2020 und 2021 musste das Festival wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden.
Infos über europäische Sprachen
Bisher
- Czernowitz – Istanbul – Tbilisi (2023)
- Time for Change (2022)
- Die Vermessung Europas, quo vadis, Europe? (2019)
- Games Without Frontiers? Grenzen und Chancen in Europa (2018)
- Ukraine (2017)
- Roma und Sinti (2016)
- Tschechien II (2014)
- Britain & Beyond (2013)
- Bulgarien (2011)
- Finnland (2010)
- Türkei (2009)
- Polen (2008)
- Bosnien (2007)
- Norwegen (2006)
- Holland (2005)
- Baskenland (2004)
- Albanien/Kosova (2003)
- Island (2002)
- Italien III (2000)
- Griechenland (1999)
- Italien II (1998)
- Baltikum (1998)
- Slowenien (1997)
- Frankreich/Oulipo (1997)
- Portugal (1997)
- Italien I (1996)
- Rumänien (1996)
- Irland (1996)
- Tschechien I (1995)
Europa der
Muttersprachen 2023
Schau.Plätze : Gegen.Sätze
CZERNOWITZ – ISTANBUL – TBILISI
Drei unterschiedliche Städte in drei europäischen Ländern: Czernowitz in der westukrainischen Bukowina, die türkische Metropole Istanbul auf zwei Kontinenten am Bosporus und die georgische Hauptstadt Tbilisi. Was sie verbindet ist eine wechselvolle Geschichte und reiche Kultur. Czernowitz, Istanbul und Tbilisi waren und sind auch Schauplätze voller Gegensätze. Beim Festival Anfang Juni 2023 wird an drei Abenden ein Blick auf Beispiele ihrer Literatur geworfen – in Kooperation mit und durch die Brille von engagierten Institutionen und deren Vertreterinnen, die sich in ihrer jeweiligen Stadt, ihrem jeweiligen Land für Autorinnen und Autoren und deren Anliegen einsetzen.
Donnerstag, 1. Juni 2023, 19.30 Uhr, Literaturhaus Salzburg
ISTANBUL : Perihan Magden & Ahmet Altan
Türkisch/Deutsch/Englisch
Einleitung: Yasemin Congar, Leiterin von Kiraathane, dem Literaturhaus in Istanbul
Am ersten Festival-Abend tritt mit der Schriftstellerin und Journalistin Perihan Magden eine der wichtigsten literarischen Stimmen der Türkei auf. Von den bisher sechs veröffentlichten Romanen wurden vier auf Deutsch übersetzt, z.T. sind sie auch verfilmt, eine Netflix-Serie basiert auf ihrem Buch „Wovor wir fliehen“. Die Autorin liest aus ihrem Werk und spricht mit der Istanbuler Literaturhaus-Leiterin auf Englisch über ihre Arbeit und die aktuelle politische Situation.
Der türkische Autor und Journalist Ahmet Altan wurde 2018 zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er angeblich „unterschwellige Botschaften“ über den Putschversuch 2016 verbreiten haben soll. Sein eindrucksvolles Buch „Ich werde die Welt nie wiedersehen“ (2018) versammelt Texte aus dem Gefängnis. Auf internationalem Druck wurde er 2021 freigelassen und mit Ausreiseverbot belegt; sollte dieses nicht aufgehoben werden und Altan zu seinem ersten Auslandsauftritt reisen dürfen, ist eine Video-Schaltung geplant.
Freitag, 2. Juni 2023, 19.30 Uhr, Literaturhaus Salzburg
TBILISI : Ana Kordzaia-Samadashvili
Georgisch/Deutsch/Englisch
Einleitung: Nino Nadibaidze, Vermittlerin für internationales Programm im Writers House Tbilisi
Am zweiten Festival-Abend ist mit der Schriftstellerin, Übersetzerin und Literaturkritikerin Ana Kordzaia-Samadashvili eine der prominentesten Autorinnen Georgiens zu Gast. In ihren Romanen und Erzählungen spiegelt sich oft das alte Tiflis wider – als Hintergrund ihrer Frauenfiguren, die stets aufbegehren. Für ihre Bücher und Übersetzungen ins Georgische – z.B. von Elfriede Jelinek, Ingeborg Bachmann, Franz Kafka und Bertolt Brecht – hat sie mehrere Preise gewonnen. Ihre Werke wurden auch in andere Sprachen übersetzt, auf Deutsch sind fünf Bücher erschienen. Die Autorin liest aus ihren Büchern und spricht über Literatur und Leben in Georgien – übersetzt von Zaal Andronikashvili.
Samstag, 3. Juni 2023, 19.30 Uhr, Literaturhaus Salzburg
CZERNOWITZ : Sofia Andruchowytsch & Igor Pomeranzew
Ukrainisch/Deutsch/Englisch
Einleitung: Evgania Lopata, Leiterin des internationalen Poesie-Festivals Czernowitz
In dem Band „State of War“ finden sich 35 Texte von bekannten Autorinnen und Autoren der Ukraine: von Juri Andruchowytsch über Taras Prohasko bis Serhij Zhadan – und von Sofia Andruchowytsch. Jeder dieser Texte befasst sich mit der harten Wirklichkeit des Krieges. Die beiden Herausgeber, Evgenia Lopata und Andrij Lyubka, schreiben im Vorwort: „We hold dear the memories and sentiments of those who bore witness to the first year of this war and strive to do all we can to ensure this war is never relegated to obscurity. We also hope that future generations who come across this book will understand that war is one of the most devastating things to happen to humanity. However, there are times when we must fight and defend our home.”
Außerdem wird das neue Buch „Czernowitz. In-Ex-Terieur“ (2023) mit Essays, Prosa und Lyrik von Igor Pomeranzew zur Sprache kommen – von einem Schriftsteller aus Czernowitz, der vom KGB in den 1970er Jahren beschuldigt und verhaftet wurde und heute in Prag lebt. Beide Autoren lesen und sprechen, übersetzt von Mariya Donska.
Eintritt: je 12/10/8 Euro
Veranstalter: Verein Literaturhaus in Kooperation mit den Literaturinstitutionen in Czernowitz, Istanbul und Tbilisi