Anlässlich der Präsentation der aktuellen Ausgabe von erostepost, die wieder eine qualitativ hochwertige Auswahl von neuen Texten beinhaltet, werden heute der Braunschweiger Autor Moritz Fichtner und der Salzburger Autor Dirk Ofner im Literaturhaus lesen. „Das hat er sich nicht erträumt. Das hätte er sich früher nicht einmal träumen lassen: diese hellhörige Garconniere über der Ignaz-Harrer- Straße, Ecke Schumacherstraße, dieses Loch über der lautesten, weil meistbefahrenen Kreuzung Salzburgs. Eine klebrige Wabe in einem Bienenstock, in dem der Lift noch Stunden nach dem ehemaligen Bauarbeiter süßelt, der sich, seit er in Pension ist, nicht mehr gewaschen hat und all die Gerüche des Lehener Stüberls, des Franky Stüberls, des Wögerer Stüberls und all der anderen Stüberl der Umgebung aus sich herausschwitzt und hineinschwitzt, in diesen engen Fahrstuhl, in dem man nicht sitzen kann, in den man sich hineinpressen muss und sich immer wieder aufs Neue die Frage stellt, ob man nicht besser die Treppe benützt.” Dirk Ofner aus „Die neue Wohnungsnot“ „Ich weiß noch, ich wollte etwas sagen, etwas Unflätiges, schreien wollte ich und Fäkalien sollten in dem Schrei enthalten sein, Fäkalien zuhauf, – aber eigenartig, ich kletterte zwischen die ragenden Zweige und sagte lange Zeit nichts. Der Wind vom Vortage wehte weiter frisch, der Mond schien über Park und Teich, die Espenblätter raschelten mir in die Ohren, und ich schwieg. Ich wusste nichts, das war die Katastrophe, alle Kraftausdrücke waren mir davongeeilt, davongeschwommen wie eilige Fische im Bach. Kimberleys Heiligengesicht war mir wieder eingefallen, und nichts anderes wollte mir einfallen, während mir in einem fort durch den Kopf ging: Ich möchte aussehen wie Kimberley. Plötzlich sagte ich es laut. Sagte es laut und deutlich: “Ich möchte aussehen wie Kimberley.“ Dann steckte ich, wie am Vortag die Schwester, erschrocken den Kopf aus den Zweigen und sah mich um.“ Moritz Fichtner aus „Die Espe hat geflüstert“ Dirk Ofner, geboren 1963, lebt als Schriftsteller, Kulturmanager und Taxilenker in Salzburg. Moritz Fichtner, geboren 1944, hatte bereits in den 70er Jahren beachtliche Erfolge mit seinen Werken. Nach einer langen Schreibpause ist er seit acht Jahren wieder produktiv.