Einleitung: Anton Thuswaldner Neben der Niederschrift von Romanen, Erzählungen und Essays hat Herta Müller ihre lyrische Ausdrucksform schon frühzeitig in Collagen-Gedichten gefunden, für die sie Schreibfeder und Tinte mit Schere und Klebstoff tauscht und aus in Journalen und Zeitschriften vorgefundenem Wortmaterial tragikomische Gedichtbauten montiert und mit zurechtgeschnittenen Bildkompositionen illustriert. Einige der Collagen-Gedichte wurden in den Sammlungen »Der Wächter nimmt seinen Kamm. Vom Weggehen und Ausscheren« (1993) und »Im Haarknoten wohnt eine Dame« (2000) veröffentlicht. An diesem Abend liest die Autorin selbst aus diesen Texten. Die Sprache steht im Mittelpunkt aller ihrer Überlegungen: Sprache als Instrument der Herrschaft und Unterdrückung, Sprache als Möglichkeit des Widerstandes und der Selbstbehauptung gegenüber einer totalitären Macht. Eine der bedeutendsten und sprachmächtigsten Autorinnen der deutschsprachigen Literatur unternimmt eine Reflexion über Schreiben und Leben in der Diktatur, eine poetische und politische Selbstbefragung. Herta Müller, geboren 1953 in Nitzkydorf (Banat/Rumänien). 1973-1976 Studium der Germanistik und Rumänistik in Temeswar, 1977-1979 Übersetzerin in einer Maschinenfabrik. Entlassung wegen der Weigerung, mit dem Geheimdienst Securitate zu kooperieren. Danach zeitweilig als Lehrerin beschäftigt. Das Erscheinen ihres Buches „Niederungen” wurde jahrelang verhindert, 1982 erschien es nach starken Eingriffen der Zensur in Bukarest und 1984 in der Originalfassung in Deutschland. Im März 1987 Übersiedlung in die Bundesrepublik. Gastdozenturen u.a. in Paderborn, Warwick, Hamburg, Swansea, Gainsville (Florida), Kassel, Göttingen, Tübingen und Zürich. Seit 1995 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt. Veröffentlichungen: Niederungen (1984), Reisende auf einem Bein (1989), Der Fuchs war damals schon der Jäger (1992), Der Wächter nimmt seinen Kamm (1993), Herztier (1994), Hunger und Seide (1995), Heute wär ich mir lieber nicht begegnet (1997), Der fremde Blick oder Das Leben ist ein Furz in der Laterne (1999), Im Haarknoten wohnt eine Dame (2000), Der König verneigt sich und tötet (2003). Herta Müller lebt in Berlin.