„Wir wollen nicht begreifen, daß alle Geschichten wahr sind! Hören Sie, alle Geschichten sind wahr! Und früher oder später werden sie alle geschehen.“ Jiri Kratochvils „Unsterbliche Geschichte“ beginnt in der Silvesternacht des Jahres 1899, an der Schwelle zu einem neuen Jahrhundert, ihr Ende findet sie im Jahr 2005. In besagter Nacht wird Sonja Trotzkij-Sammler in Brünn geboren, als Tochter einer sudetendeutschen Mutter und eines russischen Vaters. Damit sind ihr schon mehrere Geschichten mitgegeben: die bolschewistische Revolution und der Verrat an ihr, der tschechische Faschismus und die Auslöschung der tschechischen Republik im Nationalsozialismus bilden die Folie dieser „Geschichten.“ Drei Tage nach Sonjas Geburt bricht der zwölfjährige Bruno im Eis der Donau in Wien ein und ertrinkt. Bruno hat gewartet auf die Geburt Sonjas, er war ihr als Liebhaber vorbestimmt. Und er wird dies denn auch, in Gestalt verschiedener Tierinkarnationen kehrt er zu Sonja zurück, wobei jeder dieser Tiergestalten ein historisches Ereignis entspricht und eines der fünf Bücher des Romans. Sonja erzählt ihr Leben, und sie tut das – ganz in der Tradition des tschechischen Schelmenromans – in ausufernder, phantastischer, grotesker Weise: Raum- und Zeitebenen vermischen sich, reale Geschehnisse, Träume und Visionen verbinden sich zu einem Panorama des 20.Jahrhunderts. „Jiri Kratochvils entfesselte Phantasie verwandelt Wirklichkeit fortwährend in einen Traum. Seine ungewöhnlich reichen Erfahrungen lassen die Träume jedoch wirklicher werden als die Wirklichkeit … Kratochvils Prosa ist das größte Ereignis der tschechischen Litartur nach 1989.“ (Milan Kundera) Jiri Kratochvil, geboren 1940 in Brünn, Sohn eines russischen Emigranten, lebt als freier Schriftsteller in Moravsky Krumlov. Erste Publikationen in den sechziger Jahren in Zeitschriften der tschechischen Avantgarde. Ab 1968 Publikationsverbot. Sein „Bärenroman“ erschien im Samisdatverlag. Seit 1989 Publikation von Kurzprosa, Essays, sechs Romanen. Ausgezeichnet u.a. mit dem Preis der tschechischen Buchhändler (1993) und dem Jaroslav-Seifert-Preis (1999), der höchsten literarischen Auszeichnung Tschechiens.